Dieses mal musste ich nicht erst mit Zelt und Isomatte in die Pampa fahren, wie bei meinem Beitrag über Kremer-Farbpigmente, um ein altes Handwerk zu bestaunen. Es genügte, aus dem Bett zu fallen und mit meiner Kamera bewaffnet, ein paar Häuser weiter zu ziehen. Um genau zu sein 5 Häuser weiter. Denn in meiner Straße in einem Hinterhof residiert eine alte und vor allem seltene Manufaktur, die Posamente-Manufaktur Borrmann. Bei Posamente handelt es sich um Schmucktextilien. Bänder, Bömmel, Quasten, Kordeln und Borten sind hier zu Hause und werden für die ganz Großen gefertigt…. und für die Kleinen, wie für meine Möbelchen. Handgefertigt und nach Metern bestellbar.
Tja, der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm und deswegen fasziniert mich wohl auch jedwede Form eines Handwerks. In meiner Familie gab es fast ausschliesslich Handwerker, ich bin damit groß geworden und habe ja auch selber eines gelernt. Gut, als Dekorateur kann man alles so ein bisschen und nichts wirklich richtig… aber bisher hat noch jede Polsterbespannung, jede Borte und jede Kordel auf meinen Möbel gehalten. Aber Pssst…. mein bester Freund ist die Heißklebepistole- und spätestens bei dem Wort HEISSKLEBEPISTOLE schlägt der Profi-Handwerker die Hände über den Kopf zusammen! Aber Nun gut, ich liebe das Handwerk und ziehe meinen Hut vor allen Menschen die eines beherrschen. Seien es Schreiner, Maler und Lackierer, Teppichbodenverleger, Maurer, Stuckateure, Restauratoren, Polsterer oder halt Posamentiere.

PosaWAAAS? Genau, den der Beruf des Posamentiers ist wohl der am Unbekanntesten. (Falls Dir noch ein unbekannterer Handwerksberuf einfällt bitte ich um Info unten im Kommentarfeld! 🙂
Das Wort Posamente kommt aus dem Französischen „passement“. Es handelt sich um textile Schmuckelemente und Besatzartikel, die Heimtextilien wie Polstermöbel, Lampenschirme und Vorhänge zieren. Zu den Postamenten zählen gewebte Borten, Zierbänder, Kordeln, Quasten, Volants, Spitzen und Zierknöpfe.



Kleiner Ausflug in die Geschichte des Unternehmens:
Borrmann-Posamente ist schon seit 1926 für die Herstellung jedweder Art von Schmucktextilien und Sonderanfertigungen bekannt und wurde von Richard Bormann gegründet. Das Unternehmen wurde nach dem Krieg von seinem Sohn weitergeführt, danach übernahm die Tochter das Familienunternehmen. 1988 übergab sie es an Herrn Schubert, der diese Manufaktur im Stil der alten Tradition weiter führt. Herr Schubert stammt aus einer alteingesessenen Kölner Posamentenfamilie und er lernte das Handwerk von seinem Vater.



Herr Schubert erzählte mir auch gestern, dass es keinen einzigen Meister mehr in diesem Handwerk gebe und es daher schon lange kein Lehrberuf mehr sei. Denn dafür benötigte man einen Meisterbrief. Dies war aber schon zu seiner Zeit als junger Mann so. Nach dem Krieg, als keine Uniformen geschmückt wie Weihnachtsbäume, mehr gefragt waren, Sissi &Co von einfachen Möbel und Kleidern abgelöst wurden und die meisten Posamentier in der ehemaligen DDR beheimatet waren, starb der Beruf so gut wie aus.
Immer wenn ich die Posamenten-Manufaktur betrete komme ich mir vor wie in eine andere Zeit gebiemt. Diese über und über gefüllten Regale mit Borten und Bänder jeglicher Couleur. Die alten Webstühle, Häkelmaschinen und die Unmengen von Garn! Herrlich!




Und wenn man wirklich nix passendes finden sollte, was relativ unwahrscheinlich ist, fertigt Herr Schubert nach Wunsch den Artikel an. Ein Farbmuster reicht aus und das Posament wird farblich passend, in der gewünschten Menge und Optik, ruck zuck gefertigt.


Mir ist es dann immer etwas peinlich wenn ich nur 2Meter einer bestimmten Farbe benötige und er dafür seine Maschine anschmeisst. Aber es ist so toll wenn ich dann die Kordel, passend zu meinem Stoff, in den Händen halten und sie später eines meiner Möbel ziert.

Außer der Meterware gibt es natürlich auch noch wunderschöne Quasten in allen nur erdenklichen Größen. Ich benutze an fast jedem Schrankschlüssel einen kleinen Quast, allerdings habe ich mir auch ein paar aus Marokko mitgebracht.



Update: Posamenten Borrmann gibt es seit Anfang 2018, zu meinem großen Bedauern, nicht mehr!
Hallo Tanja,
ich liebe alte Fabriken und Kunsthandwerker.
Was für ein Glück, dass du nur 5 Häuser weiter gehen musst, um diese tollen Schätze zu betrachten.
Ein Traum…
Liebe Grüße
Claudia
Hallo Claudia, ja das ist wirklich super! Aber falls Du demnächst mal ein Möbel aufarbeitest und Du Borde brauchst, weißt Du jetzt wo es die tollste gibt 😉 ganz liebe Grüße zurück Tanja
Sehr cooler Artikel!
Hallo Frau Kosub,
ich bin auf der Suche nach Herrn Schubert bzw Firma Borrmann. Ich habe viel mit Herrn Schubert zusammen gearbeitet und weiß, das er umziehen wollte. Können sie mir weiter helfen?
Würde mich freuen von ihnen zu hören.
Vorab herzlichen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ch. Haas
Hallo Frau Haas,
leider ist die Firma Bormann Anfang diesen Jahres weggezogen. Leider weiß ich auch nicht wirklich wohin 🙁 Bei mir vor der Türe standen riesige Sattelschlepper, die die tollen Maschinen einluden. Auf mein Nachfragen hin beim Fahrer eines dieser riesigen LKWs meinte man, es ginge nach Mönchengladbach. Tut mir leid, dass ich Ihnen leider nicht mehr sagen kann. Für mich ist es sehr, sehr schade und ich finde es wirklich traurig, dass eine solch tolle Manufaktur nun auch geschlossen hat. Denn dies schließe ich daraus, da die Webseite auch nicht mehr aufrufbar ist. Falls Sie mehr in Erfahrung bringen sollten, freue ich mich von Ihnen zu hören 🙂 mit den besten Grüßen Tanja Kosub
Hallo, DAS hier ist aus Borrmann Posamente geworden https://www.lieblingsstil.com/de/blog/2017/11/12/camilla-von-bernstorff/ Einen Online Shop gibt es nicht. Sehr schade! Hätte ich doch vor Jahren schon gewußt, dass es in Düsseldorf noch so eine Werkstatt gibt. Leider stirbt hier in Deutschland das Handwerk aus und auch das Interesse am Selber-Machen ist nicht wirklich vorhanden. In Großbritannien interessieren sich auch Privatpersonen für Handwerkskunst und Interior Design. Hier geht man halt zu Ikea 😉 Ich bin gelernte Damenschneiderin und Modedesignerin, arbeite als Textildesigner und mache in meiner Freizeit Polsterarbeiten..hauptsächlich alte Sessel aber auch ein Polsterbett mit Chesterfield Kopfteil für meine Tochter habe ich bereits designt und selbst gebaut. Dabei ist es, was schöne und dennoch erschwingliche Polsterstoffe angeht sehr schwierig etwas Brauchbares in Deutschland zu bekommen. Ich bestelle meist in USA und GB, aber es ist natürlich mühsam sich erst Muster zukommen zu lassen wenn man doch sehr pingelig ist, was die genaue Farbnuance angeht. Vielen Dank liebe Tanja Kosub für diesen tollen Artikel und die wunderschönen Fotos..die mir leider vor Augen halten was ich verpasst habe! 😉 Viele Grüße Katharina
Liebe Katharina,
ganz ganz herzlichen Dank für deinen Komentar. Wundervoll, dass die Maschinen ein neues Zuhause gefunden haben. Beim Auszug aus den alten Räumen (ich wohne ja nebenan) sagten mir die Logistiker, dass die Maschinen nach Mönchengladbach gehen. Und ja ich kenne das so gut mit dem eigenen Handwerk, denn ich gestalte selber auch Möbel um. Dies mache ich unter dem Label ATELIERWERK ( http://www.atelierwerk.de ) Bei Borrmann hab ich mir immer die entsprechenden Kordeln fertigen lassen 🙂 Ich wünsche dir noch ganz viel Freude und Inspiration mit deinen Werken und noch mal ganz lieben Dank.
Tanja
p.s. am 29.März 2019 findet in Köln wieder die h&h statt. Europas größte Hobby- & Handwerkmesse in Köln. Dort werde ich über die authentische und verkaufsstarke Fotoinszinierung für handgefertigte Produkte sprechen (http://www.hh-cologne.de/handarbeit-und-hobby/index.php) Vielleicht bist du ja auch dort